Zwanzig Jahre The BossHoss: Statt Stadionbühnen oder Festivalgroßproduktionen setzen die Berliner auf ihrer Jubiläumstour „Back to the Boots“ auf Clubshows mit direkter Publikumsnähe und reduziertem Brimborium. Der Auftritt im ausverkauften Capitol Hannover zeigt eindrucksvoll, warum dieses Format zur Band passt: konzentriert, druckvoll, nah dran und mit dem typischen Augenzwinkern.

Club statt Stadion – eine bewusste Entscheidung

The BossHoss feiern in diesem Jahr ihr zwanzigjähriges Bestehen – ein Meilenstein, den nur wenige deutsche Rockacts erreichen. Anstatt die Jubiläumstour mit großem logistischem Aufwand und Arenaproduktion aufzuziehen, entscheiden sich Alec „Boss Burns“ Völkel und Sascha „Hoss Power“ Vollmer für eine Rückbesinnung auf ihre Anfangsjahre. Die Tour trägt nicht zufällig den Titel „Back to the Boots“: Gespielt wird dort, wo ihre Karriere Mitte der 2000er Fahrt aufnahm – in Clubs, dicht am Publikum, reduziert auf das Wesentliche.

Das Capitol in Hannover war dafür ein passender Ort. Die traditionsreiche Halle war schon mehrfach Bühne für wichtige Kapitel der Bandgeschichte. Zuletzt spielten The BossHoss hier 2008, als sie mit ihren Country-Rock-Covern plötzlich im Mainstream ankamen und kurz davor standen, in die großen Open-Air-Spielstätten aufzusteigen. 17 Jahre später kehren sie als etablierter Live-Act zurück – gereift, mit zehn Studioalben im Rücken und einer klaren Haltung zur eigenen Live-DNA.

The Picturebooks zünden den ersten Funken

Den Auftakt des Abends bestreiten The Picturebooks, die den Club mit lautem, kantigem Sound und kompromissloser Attitüde schnell auf Temperatur bringen. Ihr erdiger Mix aus Bluesrock, Garagenriffs und treibenden Rhythmen passt perfekt zum rauen Rahmen der Clubtour. Das Publikum im proppenvollen Capitol reagiert früh mit Energie, Applaus und Bewegung – ein deutliches Zeichen dafür, dass dieser Abend nicht gemächlich anlaufen wird.

Die Band verzichtet auf lange Ansagen, lässt stattdessen die Musik sprechen. So entsteht schon vor dem ersten Ton der Hauptband eine aufgeladene Atmosphäre, die sich im Verlauf des Abends noch steigern wird.

Ein Ritt durch zwanzig Jahre BossHoss

Als die Saallichter erlöschen und „On the Road Again“ erklingt, brandet sofort Jubel auf. Die sieben Musiker betreten die Bühne in klassischer Cowboy-Montur: Stetsons, Jeans, auffällige Applikationen. Der Auftakt ist bewusst gewählt: Diese Hymne auf das Tourleben steht sinnbildlich für ihre Karriere, die 2005 mit einem simplen, aber effektiven Konzept begann – bekannte Popsongs in Countryrock-Manier neu zu interpretieren – und sich über die Jahre zu einem eigenständigen Stil entwickelte.

Die Setlist des Abends spiegelt diesen Weg präzise wider. Frühe Erfolgstitel wie „Don’t Gimme That“ oder „Dance the Boogie“ stehen gleichberechtigt neben neueren Songs wie „Back to the Boots“ oder „Ride It Like a Cowboy“, die die aktuelle musikalische Ausrichtung markieren. „Lions Den“„Do It“ und „Win Win“ demonstrieren, dass die Band längst über das Cover-Image hinausgewachsen ist und ihren eigenen Sound weiterentwickelt hat.

Natürlich fehlen auch die Coverversionen nicht, die ihre Karriere mitbegründet haben: „Hey Ya“ von Outkast, „Polk Salad Annie“ von Tony Joe White, Dolly Partons „Jolene“ und als finaler Partystarter „Word Up!“ von Cameo. Live werden diese Songs längst nicht mehr als reine Parodien inszeniert, sondern als eigenständige, druckvoll arrangierte Nummern, die die Handschrift der Band tragen.

Bemerkenswert ist an diesem Abend der dramaturgische Aufbau: Die Setlist ist klar strukturiert, steigert sich sukzessive in Tempo und Intensität und verzichtet auf überflüssige Pausen. Stattdessen fließen die Songs ineinander, begleitet von kurzen, trockenen Ansagen Völkels, die nie den Fluss unterbrechen.

Zwischendurch sorgt eine kleine Panne für Gelächter: Die Konfettikanonen versagen, die vorbereiteten Geldscheine werden kurzerhand per Hand ins Publikum geworfen. Völkel kommentiert trocken, das Publikum lacht, und die Band spielt unbeeindruckt weiter. Ein ehrlicher Moment, der perfekt zur ungekünstelten Clubatmosphäre passt.

Cowboys ohne Sicherheitsabstand

Was The BossHoss an diesem Abend besonders auszeichnet, ist die unmittelbare Nähe. Im Capitol gibt es nur einen kleinen Sicherheitsgraben und somit wenig Fan-Distanz. Völkel und Vollmer suchen ständig den Kontakt ins Publikum, reagieren spontan auf Zurufe und treiben die Stimmung an. Völkel wirft Hemd und Weste ab, steht grinsend im Licht, während Vollmer zwischen konzentriertem Spiel und lockerer Interaktion wechselt.

Gerade bei Stücken wie „Dos Bros“ oder „One More Time“ zeigt sich, wie gut die Band ihre Liveshow über die Jahre verfeinert hat. Jeder Einsatz sitzt, die Dynamik zwischen den Musikern ist eingespielt, ohne routiniert zu wirken. Man spürt, dass hier keine Show abgespult wird, sondern dass die Musiker Lust auf den Abend haben.

Finale mit Masken und Mitsingmomenten

Der Zugabenteil beginnt mit „My Way“, begleitet von der Bläsersektion in bunten Lucha-Libre-Masken – eine mittlerweile fest etablierte Tradition in ihren Shows. Diese humorvolle Brechung der Cowboypose sorgt jedes Mal für Reaktionen zwischen Lachen und lautem Mitsingen. Danach folgt „German Angst“, bevor „Word Up!“ als finaler Song den Club endgültig zum Kochen bringt.

Das Publikum singt geschlossen mit, die Stimmung erreicht ihren Höhepunkt. Kein überzogenes Pathos, keine künstlichen Effekte – einfach ein starker Schlusspunkt einer kompakten, hervorragend getakteten Show.

Gelebtes Konzept

The BossHoss haben im Capitol Hannover eindrucksvoll gezeigt, warum sie seit zwei Jahrzehnten zu den erfolgreichsten und konstantesten Live-Acts des Landes zählen. Die Entscheidung für die Clubtour war richtig: Hier kommen ihre Stärken – Publikumsnähe, Energie, Humor und musikalische Schlagkraft – am klarsten zum Tragen.

Die Show war sauber strukturiert, die Setlist ausgewogen, die Stimmung über die gesamte Spielzeit hoch. Kleine Zwischenfälle wie die Konfettipanne gerieten zur sympathischen Randnotiz, die das Live-Erlebnis nur authentischer machte. „Back to the Boots“ ist keine leere Parole, sondern gelebtes Konzept: zurück zu den Orten, an denen alles begann – mit einer Band, die auch nach zwanzig Jahren nichts von ihrer Bühnenpräsenz eingebüßt hat.

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