Tourauftakt mit Charme, Witz und ehrlicher Energie

1250 Fans, ein Meer aus erhobenen Armen und eine Band, die sich spürbar auf der Bühne zuhause fühlt: Mit dem Auftakt ihrer „Supercolor Tour 2025“ haben Von Wegen Lisbeth am Freitagabend im Capitol Hannover nicht nur neue Musik vorgestellt, sondern auch gezeigt, warum sie seit Jahren zu den eigenständigsten Vertretern der deutschen Indiepop-Szene zählen. Es war ein Abend voller Leichtigkeit, Ironie und präziser Beobachtungen – irgendwo zwischen WG-Party, Späti-Romantik und unterschwelligem Gesellschaftskommentar.

Schon zu Beginn herrscht ausgelassene Stimmung. Zwischen Rufen, Lachen und rhythmischem Mitwippen entsteht diese besondere Nähe, die nur Livekonzerte schaffen. Sänger Matthias Rohde lächelt, als er bei „Bitch“ das Publikum auffordert, das titelgebende Wort durch ein „im Idealfall nicht diskriminierendes Schimpfwort“ zu ersetzen – und die Menge spielt mit. Es ist genau diese ironische Distanz zu den eigenen Texten, die Von Wegen Lisbeth auszeichnet: Sie nehmen sich ernst, aber nie zu wichtig.

Zwischen Alltagsbeobachtung und Großstadtmelodie

Von Wegen Lisbeth waren nie nur eine Indiepop-Band. Sie sind Chronisten ihrer Generation – mit Songs, die zwischen Alltagsbanalität und cleverer Gesellschaftsbeobachtung pendeln. Stücke wie „Elon“, das auf der Anekdote basiert, dass Elon Musk einst nicht in den Berliner Club Berghain kam, oder ältere Songs wie „Bitch“ und „Sushi“, erzählen von der Absurdität moderner Lebenswelten mit einem Augenzwinkern, das nie zynisch wirkt.

Auch musikalisch ist die Band unverwechselbar. Statt auf elektronische Effekte oder Backing-Spuren zu setzen, wird alles live eingespielt. Gitarren, Synths, Xylofon, Rasseln, Saxofon – und sogar ein Megafon kommen zum Einsatz. Der ständige Instrumentenwechsel wirkt nie gekünstelt, sondern zeigt, wie sehr das Quintett aus Berlin als verschworene Einheit funktioniert. Julian Hölting am Bass, Robert Tischer an den Synths und Percussions, Dominik Zschäbitz an der Gitarre und Julian Zschäbitz am Schlagzeug schaffen gemeinsam mit Rohde eine dynamische Spielfreude, die sich sofort auf das Publikum überträgt.

Zwischen Vergangenheit und Neuanfang

Gegründet in der Schulzeit und 2014 als Vorband von AnnenMayKantereit erstmals in größerem Rahmen wahrgenommen, haben Von Wegen Lisbeth längst ihren eigenen Weg gefunden. Ihr Sound ist weniger rau, dafür detailverliebter, tanzbarer und ironisch gebrochen. Der neue Song „Gleichgewicht“ fügt sich nahtlos ein – mit einer eingängigen Melodie und einem Text, der von Orientierungslosigkeit und Sehnsucht erzählt, ohne schwer zu wirken.

Auch „Widersprüche“, ein weiterer neuer Titel, greift diese Themen auf: kleine Alltagsdilemmata, die zwischen Ich-Beobachtung und gesellschaftlicher Selbstreflexion schwanken. Beide Songs zeigen, dass die Band erwachsener geworden ist, ohne ihren spielerischen Charakter zu verlieren.

Stimmung, die verbindet

Besonders deutlich wird das beim Abschluss des Abends. Als „Wenn du tanzt“ ertönt, breitet sich im Capitol ein Moment der Schwerelosigkeit aus. Paare tanzen im Moshpit, Freunde liegen sich in den Armen, und der Saal verwandelt sich für ein paar Minuten in einen Ort zwischen Konzert, Tanzfläche und Wohnzimmer. Julian Zschäbitz lächelt ins Publikum, sagt leise „Was für ein schöner Tourauftakt“ – und niemand widerspricht.

Es ist dieser authentische, nahbare Moment, der den Abend prägt. Keine Showeffekte, keine überzogenen Gesten – nur fünf Musiker, deren Spielfreude und Ehrlichkeit den Raum füllen. Von Wegen Lisbeth schaffen es, Gesellschaftskritik, Humor und Leichtigkeit so zu verbinden, dass am Ende vor allem eines bleibt: das Gefühl, gemeinsam etwas Echtes erlebt zu haben.

Setlist – Von Wegen Lisbeth, „Supercolor Tour 2025“
Capitol Hannover

  1. Westkreuz
  2. Chérie
  3. Das Zimmer
  4. Auf Eis
  5. Gleichgewicht (neu)
  6. Mars
  7. L.OST
  8. US-Studie
  9. Portugal (Autoteile auf der Fahrbahn)
  10. Drüben bei Penny
  11. Widersprüche (neu)
  12. Opti
  13. 30 Segways, ein Ferrari
  14. EZ Aquarii
  15. Meine Kneipe
  16. Wieso
  17. Bitch
  18. Sushi
  19. Madame Tussauds
    Encore:
  20. Meerschwein
  21. Elon
  22. Wenn du tanzt

Fotos: Event2Picture/Frank Bolz

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