RADIOHEAD in Berlin | Foto Alexander Lake

Schon vor dem ersten Ton ist klar, dass dieser Abend mit Radiohead in Berlin kein gewöhnliches Konzert werden wird. Die Bühne steht mitten in der Uber Arena, das Licht tastet sich langsam durch die Ränge, Scheinwerfer fahren Block für Block ab, und jedes Mal antwortet das Publikum mit Jubel. Fast eine Viertelstunde lang entsteht auf diese Weise eine wortlose Begrüßung zwischen Band und Zuschauern, noch bevor die Musiker überhaupt erscheinen. Man spürt, wie sehr die Fans darauf gewartet haben, Radiohead in Berlin wieder erleben zu können – nach Jahren, in denen die Gruppe als Liveband nahezu von der Bildfläche verschwunden war.

Sieben Jahre lang gab es keine große Tour dieser britischen Ausnahmeband. In dieser Zeit ist vieles passiert, nicht nur auf der Weltbühne, sondern auch im Inneren der Beteiligten. Gitarrist Ed O’Brien hat offen über eine Phase gesprochen, in der ihn eine Depression an Grenzen gebracht hat, und darüber, dass die gemeinsame Arbeit mit Radiohead für ihn zu einem Halt geworden ist. Gleichzeitig wurden außerhalb der Musik heftig geführte Debatten lauter, etwa um die propalästinensische BDS-Bewegung, die die Band wegen eines Auftritts in Israel öffentlich angriff. All diese Spannungen schwingen mit, als Radiohead in Berlin auf die Bühne treten – und doch wird die Uber Arena für zwei Stunden zu einem eigenen Kosmos, in dem andere Gesetze gelten.

Ein Kreis aus Stahl und Projektionen

Radiohead in Berlin
RADIOHEAD LIVE IN BERLIN PHOTOGRAPHED BY ALEX LAKE WWW.TWOSHORTDAYS.COM INSTA @TWOSHORTDAYS

Die Inszenierung von Radiohead in Berlin beginnt mit der Bühne. In der Mitte der Arena steht ein kreisrundes Podest, eingefasst von hohen, stangenartigen Elementen, zwischen denen halbdurchsichtige Bildschirme hängen. Zunächst wirken diese Streben wie Gitter einer riesigen Installation. Dahinter nehmen die Silhouetten der Musiker ihren Platz ein, noch von der Außenwelt getrennt. Die Konstruktion erinnert gleichzeitig an einen Proberaum, in den man heimlich hineinblickt, und an einen selbst gewählten Kokon, in dem sich die Band für diesen Abend einrichtet.

Mit den ersten Songs öffnen sich diese Wände nach und nach. Teile der Konstruktion fahren nach oben, Projektionen wechseln von abstrakten Lichtmustern zu grobkörnigen Nahaufnahmen. Bald ist klar, dass dieser Aufbau nicht nur Effekt, sondern Teil der Erzählung ist. Radiohead in Berlin spielen mit Distanz und Nähe: Mal erscheinen Thom Yorke, Jonny und Colin Greenwood, Ed O’Brien, Phil Selway und der zusätzliche Schlagzeuger Chris Vatalaro nur als Umrisse, mal stehen sie unvermittelt im gleißenden Licht, zum Greifen nah.

Auf dem Podest selbst herrscht dichter Betrieb. Zwei Drumsets stehen einander gegenüber, Synthesizer, Keyboards und Sampler säumen den Rand, Gitarren und Bässe wechseln von Hand zu Hand. Immer wieder wandern die Musiker über das Rund, so dass sich die Aufmerksamkeit im Kreis bewegt. Es gibt an diesem Abend kaum Plätze, von denen aus man nicht zumindest für einige Songs einen direkten Blick auf das Geschehen bekommt. Radiohead in Berlin nutzen die Rundbühne konsequent als Spielfläche, die alle Seiten gleichberechtigt einbezieht.

Radiohead in Berlin zwischen Konzentration und Rausch

Was diese Show auszeichnet, ist die besondere Spannung zwischen großer Geste und konzentrierter Ruhe. Viele Besucher halten zu Beginn noch ihr Telefon bereit, doch schon nach wenigen Stücken vergessen erstaunlich viele, überhaupt zu filmen. Die Musik zieht die Aufmerksamkeit so stark auf sich, dass der Reflex, alles festhalten zu müssen, in den Hintergrund rückt. Ein Zuschauer steht da, das Handy locker in der Hand, den Blick fest auf die Bühne gerichtet, als hätte er mitten im Aufnehmen beschlossen, den Moment lieber wirklich zu erleben.

Thom Yorke bewegt sich über die Bühne, wie man es von ihm kennt – ein Tänzer irgendwo zwischen Kontrollverlust und präziser Zeichnung. Mal dreht er sich um die eigene Achse, mal zeichnet er mit den Armen Linien in die Luft, die das Licht aufgreift. Die Band rotiert in langsamem Tempo um ihn herum, so dass sich die Perspektive auf die Musiker ständig verschiebt. Radiohead in Berlin verwandeln die große Arena in einen Raum, der sich eher wie ein dunkler Club anfühlt, nur eben mit deutlich mehr Menschen.

Auf den Bildschirmen über der Bühne erscheinen die Gesichter der Musiker oft nur schemenhaft. Die Linien werden nachgezogen, Flächen wirken wie animierte Zeichnungen. Die Band tritt dadurch gleichzeitig nah und fern in Erscheinung. In manchen Momenten erinnert die Szenerie an Schattenfiguren, die sich vor einem Hintergrund aus flimmerndem Licht bewegen. Die Musik verstärkt diesen Eindruck: klare Strukturen, die immer wieder kurz davor stehen, in Geräusch oder Stillstand zu kippen, es dann aber doch nicht tun.

Balladen, die alles anhalten, und Songs, die treiben

Zu den intensivsten Augenblicken von Radiohead in Berlin gehören die leisen Stücke. Wenn „No Surprises“ ansetzt, wird die Arena schlagartig ruhiger. Das Glockenspielmotiv hängt wie ein zarter Faden im Raum, und schon nach wenigen Takten gehen Hunderte Lichter an. Handydisplays und Feuerzeuge tauchen die Ränge in ein weiches Leuchten. Paare ziehen sich aneinander, Menschen lehnen die Stirn an die Schultern ihrer Begleitung, andere schließen einfach nur die Augen und singen leise mit.

Der Text von „No Surprises“ erzählt von Müdigkeit, vom Wunsch nach einem Leben ohne ständigen Druck. Gerade in dieser Umgebung, in der alles auf Wirkung angelegt sein könnte, entfaltet er seine ganze Kraft. Radiohead in Berlin gelingt es, aus einem Song, der leicht in die Richtung wohligen Mitsingens kippen könnte, einen Moment zu machen, in dem eine ganze Halle spürbar innehält.

Auch andere Balladen dienen als Fixpunkte in der Dramaturgie des Abends. Das Publikum wirkt nicht wie eine lärmende Masse, sondern eher wie viele einzelne Menschen, die sich für zwei Stunden auf dieselbe Frequenz einlassen. Zwischen diesen ruhigen Inseln baut die Band immer wieder kraftvolle Blöcke ein: treibende Rockstücke, rhythmisch verschobene Songs und elektronische Exkursionen, die sich mit der doppelten Schlagzeugbesetzung zu wahren Wirbelstürmen steigern.

Besonders die Phase rund um die Stücke aus „Kid A“ und „In Rainbows“ zeigt, wie weit Radiohead in Berlin ihr Spektrum ziehen. „Idioteque“ schlägt mit seinen elektronischen Rhythmen wie ein Herzschlag durch die Arena, während Thom Yorke am Rand der Bühne entlangläuft und mit weiten Schritten den Kreis abmisst. „Everything in its Right Place“ wächst Schicht um Schicht, wenn Jonny Greenwood live Gesangsfragmente sampelt, dreht und wieder in den Song zurückschickt, bis aus einer klaren Stimme ein ganzes Feld aus Echos geworden ist.

Eine der Überraschungen des Abends ist eine dunkle, reduziertere Version des Titelstücks von „Kid A“. Statt der kalten Studioelektronik ist in Berlin eine Art schwebender Folk zu hören, der eher an das spätere „A Moon Shaped Pool“ erinnert. Radiohead in Berlin zeigen hier, dass sie ihre eigenen Klassiker nicht wie Museumsstücke behandeln, sondern offen genug sind, sie weiterzuentwickeln.

Radiohead in Berlin und die große Werkschau

Radiohead in Berlin
RADIOHEAD LIVE IN BERLIN PHOTOGRAPHED BY ALEX LAKE WWW.TWOSHORTDAYS.COM INSTA @TWOSHORTDAYS

So sehr der Abend durch Experimente geprägt ist, so stark zeigt sich auch die Bandgeschichte. Radiohead in Berlin greifen tief in ihren Katalog, ohne ihn vollständig zu zerlegen. Gitarrenorientierte Stücke stehen neben elektronischen Tracks, frühe Hymnen werden neben späten Kompositionen platziert. Die Setlist wirkt wie ein bewusst gestalteter Bogen durch mehrere Jahrzehnte, mit klaren Spannungsfeldern zwischen Laut und Leise, zwischen Kontrolle und Spiel.

Gerade diese Mischung aus Verlässlichkeit und Veränderung prägt die Wirkung des Konzerts. Die Fans bekommen viele der Lieder, die sie hören möchten, aber selten in einer bloß nachgestellten Version. Die doppelte Rhythmusabteilung verleiht älteren Songs neue Energie, die Rundbühne sorgt dafür, dass die Perspektive ständig wechselt, und die Projektionen unterstreichen eher das Innere dieser Musik, als dass sie ihr eine starre Bedeutung aufzwingen.

Ein gemeinsamer Schlussakkord in der Uber Arena

Ganz am Ende bündelt ein Song noch einmal all das, was Radiohead in Berlin ausmacht. „Karma Police“ setzt mit seinem schlichten Klaviermotiv ein, und sofort spürt man, wie sich die Aufmerksamkeit der gesamten Arena auf diesen einen Punkt fokussiert. Die Zeilen hallen durch den Raum, erst von der Bühne, dann von den Rängen, schließlich von beiden gemeinsam. Thom Yorke lehnt sich vom Klavier zurück und lässt die Menge den Refrain tragen, bevor die Band wieder einsetzt und den Abend zu Ende führt.

In diesen letzten Minuten verschwimmen Bühne und Publikum. Die Menschen auf den Rängen, die Musiker im Rund, alle scheinen denselben Satz zu denken: Für einen Moment ist der Alltag weit weg. Danach bleibt nicht nur die Erinnerung an ein perfekt gespieltes Konzert, sondern das Gefühl, an etwas teilgenommen zu haben, das sich nur schwer in Worte fassen lässt.

Was diese Tour für die Zukunft bedeutet, bleibt offen. Thom Yorke und Jonny Greenwood sind mit anderen Projekten präsent, alle Mitglieder haben eigene Wege. Dennoch macht dieser Auftakt von Radiohead in Berlin deutlich, wie lebendig diese Band noch immer ist. Die vier Abende in der Uber Arena wirken nicht wie ein nostalgischer Nachtrag, sondern wie ein Zwischenstand einer Geschichte, die sich weiterentwickeln möchte. Die Zuschauer verlassen die Halle mit dem Eindruck, dass diese Rückkehr nicht das letzte Kapitel, sondern eher ein neuer Abschnitt ist.

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