Ein früher Auftakt und ein Publikum, das bereit war für einen langen Abend
Wer Arch Enemy live in Hannover erleben wollte, musste an diesem Freitag pünktlich sein. Schon ab 17 Uhr öffneten sich die Türen, und um 18 Uhr startete ein Programm, wie man es heute kaum noch erlebt: vier international erfolgreiche Bands in rund fünf Stunden, eingebettet in einen Ablauf, der keine Pausen für Müdigkeit ließ. Die Fans nahmen dieses Format nicht nur hin – sie freuten sich spürbar darüber. Der Freitagabend gab ihnen den Raum, sich voll und ganz auf das Geschehen einzulassen, und die Halle war früh dicht gefüllt.
Gatecreeper setzten den ersten Ton des Abends. Nebel hüllte die Bühne ein, während grünliche Lichtstrahlen durch die Schwaden schnitten und nur schemenhafte Konturen sichtbar blieben. Der rohe, direkte Death Metal der Band traf dennoch ungebremst auf die Menge. Es war ein Auftakt, der ohne Umwege funktionierte und die Halle unmittelbar in Bewegung versetzte. Die frühe Startzeit schadete der Dynamik in keiner Weise. Gatecreeper packten den Abend mit beiden Händen und legten eine Schwere und Intensität in den Raum, die weit über die Rolle eines gewöhnlichen Openers hinausging.
Amorphis liefern das präziseste Set der Nacht
Der erste große Wendepunkt folgte bereits vor 19 Uhr. Amorphis betraten früher als angekündigt die Bühne, und für diejenigen, die rechtzeitig erschienen waren, entwickelte sich dieser Moment zu einem atmosphärischen Höhepunkt. Die Finnen präsentierten sich von Beginn an mit jener Mischung aus Melodie, Härte und emotionaler Tiefe, die sie seit Jahrzehnten zu einer der unverwechselbarsten Bands des Genres macht.

Der Klang war klar strukturiert und zugleich warm. Tomi Joutsens variabler Gesang – in seiner Balance zwischen tiefem Growling und weit offenen Klargesangspassagen – füllte die Halle mit einer Präsenz, die sich mühelos über die Köpfe der Menge legte. Ihre Songauswahl verband die neuen Linien des aktuellen Materials mit jenen Stücken, die die Band in früheren Jahren geprägt hatten. Besonders die melancholischen Töne wirkten live intensiver und nahmen die Zuschauer sichtbar mit.
Die Bühne blieb dabei nie überladen. Das Licht begleitete die Musik, statt sie zu übertönen, und die Band spielte mit einer Ruhe und Präzision, die den gesamten Abschnitt zu einem geschlossen wirkenden Erlebnis machte. Amorphis setzten an diesem Abend eine eigene Markierung: Sie wirkten wie eine Band, die ohne spektakuläre Effekte auskommt, weil sie alles über ihre Musik erzählt.
Eluveitie erweitern den Klangraum des Abends

Mit Eluveitie folgte jener Teil des Abends, der die stilistische Breite der gesamten Veranstaltung noch deutlicher machte. Die Schweizer brachten eine musikalische Sprache mit, die traditionelle Instrumente, archaische Motive und moderne Härte zu einer geschlossenen Einheit formt. Schon der erste Song zeigte, wie souverän sie diese Mischung beherrschen.
Dudelsäcke, Geige, Flöten und vielstimmige Linien ergaben zusammen einen Klang, der sich gegen die massiven Gitarrenstrukturen nicht nur behauptete, sondern sie auf interessante Weise ergänzte. Die Halle reagierte sofort. Viele bewegten sich zu den rhythmischen Akzenten, andere ließen sich von den weit ausgreifenden Melodien tragen. Der Innenraum wurde zum Mittelpunkt einer Energie, die sich ständig veränderte – mal druckvoll, mal atmosphärisch, aber niemals inkonsistent.
Der Auftritt zeigte eindrucksvoll, warum Eluveitie seit vielen Jahren zu den festen Größen ihres Genres gehören. Besonders die hymnischen Momente wurden laut mitgesungen, während die härteren Parts die Dynamik im Innenraum neu entfachten. Dieser Teil des Abends bot eine Farbigkeit, die sich bewusst von den anderen Acts abhob, ohne den Stringenz der Gesamtveranstaltung zu durchbrechen.
Arch Enemy übernehmen mit kompromissloser Präsenz
Als gegen 21:20 Uhr das große Banner vor der Bühne fiel, erreichte die Stimmung in der Swiss Life Hall ihren Höhepunkt. Arch Enemy live in der Swiss Life Hall Hannover begann ohne Vorspiel. Der erste Schlag von „Deceiver, Deceiver“ setzte unmittelbar eine Druckwelle frei, die den Raum wie ein einziger Impuls durchzog. Die Menge antwortete geschlossen, die Bewegungen im Innenraum intensivierten sich sofort, und die Halle schien in einem Atemzug in den Headliner-Modus zu kippen.

Alissa White-Gluz stand sofort im Zentrum des Geschehens. Ihre Präsenz war klar, intensiv und körperlich spürbar. Die Growls schnitten präzise durch den Sound, während hinter ihr Michael Amott und Joey Concepcion mit aggressiven, scharf konturierten Gitarrenlinien agierten. Die Rhythmussektion legte ein Fundament, das die Wucht des Sets stützte und zugleich genug Raum für die melodischen Linien ließ.
Die ersten Songs trafen das Publikum mit hoher Intensität. „Blood Dynasty“, „War Eternal“ und „My Apocalypse“ brachten die Halle zu einem Punkt, der kaum Luft zum Durchatmen ließ. Im Laufe des Sets wechselte die Band bewusst zwischen druckvollen und melodischeren Passagen. Die mittlere Phase wirkte für einige etwas zurückhaltender, diente aber erkennbar dem dramaturgischen Aufbau für das kommende Finale.
Als der Abend in seine Schlusssequenz überging, fand Arch Enemy mit „The Eagle Flies Alone“, „No Gods, No Masters“ und „Avalanche“ zur vollen Stärke zurück. Der Innenraum bewegte sich als geschlossene Masse, und die Interaktion zwischen Band und Publikum wirkte nun noch intensiver.
Ein Finale, das Klang und Bild miteinander verbindet
Der Übergang in die Zugabe brachte einen der bildstärksten Momente der gesamten Show. „Snow Bound“ leitete eine stimmungsvolle Phase ein, die nahtlos in „Nemesis“ überging – und genau in diesem Moment rollte von hinten eine Flut großer Ballons durch die Halle, diesmal in kräftigem Rot und tiefem Schwarz. Die Szene wirkte gleichzeitig überraschend und spielerisch: Überall erhoben sich Hände, versuchten, die Ballons in der Luft zu halten, während im Hintergrund die härtesten Riffs des Abends liefen. Die Swiss Life Hall verwandelte sich für einige Minuten in ein farbig pulsierendes Feld, das die Ernsthaftigkeit und Präzision der Show auflockerte, ohne ihren Kern zu verwässern.
Als die letzten Töne des instrumentalen „Fields of Desolation“ erklangen, trat eine Ruhe ein, die den Abend würdig abrundete. Nach einem langen, intensiven Programm löste sich die Menge langsam auf – spürbar erschöpft, aber ebenso spürbar zufrieden. Vier Bands, fünf Stunden, und ein Konzertabend, der die Spannweite des modernen Metal eindrucksvoll zeigte.
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