Das Kraftwerk Konzert in Braunschweig in der Volkswagenhalle zeigt, wie souverän eine Band auch nach mehr als fünf Jahrzehnten ihre eigene Geschichte auf die Bühne bringen kann, ohne dabei in reine Nostalgie zu verfallen. Seit 1970 stehen Kraftwerk für eine konsequente Vision elektronischer Musik – von den frühen Experimenten in Düsseldorf über ihre prägenden Alben bis hin zu den heutigen Multimedia-Shows. In Braunschweig trifft diese Historie auf eine fast ausverkaufte Arena, ein konzentriertes Publikum und eine Inszenierung, die Sound, Bild und Bewegung präzise verzahnt.
Im Mittelpunkt dieser Nacht steht Ralf Hütter, der letzte verbliebene Musiker der ursprünglichen Besetzung. Gemeinsam mit Henning Schmitz, Falk Grieffenhagen und Georg Bongartz führt er das Konzept der „Mensch-Maschine“ weiter, ohne es zu musealisieren. Für die Löwenstadt hat der Abend eine zusätzliche Note: Bereits Anfang der achtziger Jahre trat die Band in der damaligen Stadthalle auf, nun kehrt sie mit moderner Produktion und verfeinertem Bühnenbild in eine größere Halle zurück.
Zahlen, Computerwelten und frühe Visionen
Der Beginn gehört den Stücken, mit denen Kraftwerk früh eine eigene Sprache für Daten, Codes und digitale Systeme gefunden haben. Songs aus dem „Computerwelt“-Kosmos und der Heimcomputer-Ära setzen den Rahmen für das Programm in der Volkswagenhalle. Auf der Leinwand laufen Zahlenfolgen, Raster und grafisch reduzierte Interfaces, während aus den Lautsprechern jene Sequenzen erklingen, die den späteren Begriff „Elektro-Pop“ überhaupt erst möglich gemacht haben.
Aus heutiger Perspektive haben diese Songs etwas Vorausdenkendes. Sie entstanden, als Computer im Alltag längst nicht so selbstverständlich waren wie heute. In der Halle treffen sie auf ein Publikum, das mit vernetzten Geräten, Algorithmen und digitaler Kommunikation groß geworden ist – und doch wirken die Stücke kein bisschen veraltet. Die Kombination aus strenger Rhythmik, klaren Motiven und der grafischen Umsetzung lässt diese frühen Visionen an diesem Abend sehr präsent erscheinen.
„Spacelab“ und Braunschweig als Koordinate

Einer der markantesten visuellen Momente entsteht, als „Spacelab“ im weiteren Verlauf der Show an der Reihe ist. Hier rückt das Kraftwerk Konzert in Braunschweig die Stadt selbst ins Zentrum der Inszenierung. Auf der Leinwand nähert sich ein Raumschiff der Erde, schwenkt über Europa und verharrt über Niedersachsen, bevor Braunschweig als Ziel markiert wird. Die Projektion fliegt über die Stadt und landet virtuell vor der Volkswagenhalle, während im Raum hörbarer Jubel aufbrandet.
In wenigen Sekunden wird deutlich, wie konsequent Kraftwerk Raum, Bild und Musik denken. Die Halle ist an diesem Abend nicht nur ein weiterer Tourstopp, sondern bewusst gesetzter Punkt in einem eigenen Kartenbild. Der Auftritt schreibt die Stadt sichtbar in das Kraftwerk-Universum ein – nicht mit großen Worten, sondern mit einem klaren, exakt getimten Bild.
Mensch, Maschine und digitale Sehnsucht
Neben den visuellen Markierungen bleibt der thematische Kern unverkennbar: das Verhältnis von Mensch und Technik. „Computerliebe“ erzählt von Einsamkeit und Nähe im elektronischen Zeitalter, lange bevor Messenger, soziale Netzwerke und Dating-Plattformen den Alltag prägten. Die Musik bleibt reduziert, die Melodie kantig und zugleich melancholisch, die Bilder im Hintergrund spielen mit Interfaces, Signalen und abstrahierten Kommunikationssymbolen.
Mit „Die Mensch-Maschine“ formuliert die Band ihr Leitmotiv noch einmal explizit. Der Mensch erscheint als Teil eines Systems aus Takt, Wiederholung und Kontrolle. Dass diese Stücke auch 2025 nicht wie altmodische Technikfantasien wirken, liegt daran, dass Kraftwerk sie nicht erklären, sondern konsequent präsentieren. Die Gegenwart holt sich ihre Deutung selbst, das Kraftwerk Konzert in Braunschweig liefert dafür den passenden Rahmen.
„Das Model“, Neonlicht und Metropolen
Wenn „Das Model“ einsetzt, verschiebt sich die Stimmung beim Kraftwerk Konzert in Braunschweig spürbar. Viele Besucherinnen und Besucher verbinden mit diesem Song ihre erste bewusste Begegnung mit Kraftwerk. Ein Titel, der Ende der siebziger Jahre als Bruch mit dem noch strengeren Frühwerk wahrgenommen wurde, weil plötzlich eine klar erzählte Figur im Mittelpunkt stand, fügt sich heute selbstverständlich in das Gesamtbild. Im Kontext des Abends wirkt „Das Model“ wie ein Bindeglied zwischen konzeptioneller Strenge und unmittelbarer Eingängigkeit.
„Neonlicht“ und „Metropolis“ erweitern diese Perspektive zu einem Panorama aus Stadt, Licht und Infrastruktur. Die Leinwand zeigt stilisierte Skylines, Lichtstreifen und abstrakte Stadtbilder, während die Musik zwischen ruhigen Flächen und klar gesetzten Motiven pendelt. Braunschweig wird so an diesem Abend Teil einer imaginären Großstadtlandschaft, in der Straßen, Gebäude und Leitungen nur angedeutet sind, aber deutlich spürbar bleiben.
Ein seltenes Wort: Ralf Hütter und Ryūichi Sakamoto
Über große Strecken wirkt es so, als würde Kommunikation zwischen Band und Publikum bewusst nicht stattfinden. Es gibt keine klassische Begrüßung, keine Moderation, keine Anekdoten zwischen den Stücken. Die vier Musiker bleiben hinter ihren Pulten, Bewegungen und Gestik sind minimal, Songs und Visuals übernehmen die komplette Kommunikation.
Umso stärker fällt der Moment auf, in dem diese Strenge kurz durchbrochen wird. Nach „Metropolis“ ergreift Ralf Hütter das Wort und kündigt den nächsten Titel an: „Merry Christmas Mr. Lawrence“ von Ryūichi Sakamoto. Er erzählt, dass sich beide 1981 kennengelernt haben und seither Freunde fürs Leben sind. Dieser knappe, sachliche Hinweis reicht aus, um der folgenden Hommage einen zusätzlichen Kontext zu geben. Für einen Moment öffnet das Kraftwerk Konzert in Braunschweig eine persönliche Ebene, ohne den grundsätzlichen Charakter der Show zu verändern.
Im Anschluss daran führt „Geiger Counter“ direkt in „Radioaktivität“, das die Risiken von Atomenergie thematisiert. Auf der Leinwand erscheinen nacheinander die Namen jener Orte, die untrennbar mit nuklearen Katastrophen und Unfällen verbunden sind: Tschernobyl, Harrisburg, Sellafield, Hiroshima und Fukushima. Die nüchterne Aufzählung dieser Schauplätze, kombiniert mit den klaren, repetitiven Klängen, macht den ernsten Kern des Stücks spürbar, ohne ihn künstlich zu dramatisieren.
Tour de France, Schienennetze und der Puls der Infrastruktur
Im weiteren Verlauf rückt Bewegung in einer anderen Form in den Vordergrund. Die Stücke rund um „Tour de France“ verknüpfen körperliche Anstrengung und elektronische Präzision. Die Rhythmen vermitteln Takt, Tempo und Streckenverlauf, während auf der Leinwand Videobilder aus früheren, sehr alten Tour-de-France-Rennen zu sehen sind. Die historischen Aufnahmen geben diesem Block eine besondere Note, ohne dass die Show in Nostalgie abrutscht.
„Trans-Europe Express“ und die dazugehörigen Segmente lassen anschließend Züge, Stahl und europäische Verbindungen anklingen. Schienen, Übergänge und metallische Geräusche werden zu musikalischem Material, das sich mit Projektionen von Linien, Kartenfragmenten und abstrahierten Streckenplänen verbindet. So entsteht eine akustische und visuelle Landkarte, die in der Volkswagenhalle nicht kommentiert, sondern schlicht erlebbar gemacht wird.
Kraftwerk Konzert in Braunschweig mit klarer Linie
Die visuelle Gestaltung folgt der bekannten Kraftwerk-Logik: klare Linien, dominante Leinwand, präzise Lichtführung. Die vier Pulte bilden die Front, dahinter öffnen sich die Bildwelten. Die Musiker tragen dunkle Anzüge mit hellen, leuchtenden Streifen, deren Farben sich regelmäßig ändern und die Konturen der Körper betonen. Sie werden so Teil der grafischen Sprache, ohne sich je in den Mittelpunkt zu drängen.
Dass das Kraftwerk Konzert in Braunschweig ohne klassische Frontmann-Gesten auskommt, ist Teil des Konzepts. Die Kommunikation läuft über Klänge, Texte und Projektionen, nicht über Smalltalk oder spontane Sprüche. Das Publikum reagiert mit nickenden Köpfen, wippenden Füßen und konzentriertem Zuhören – und mit lautem Applaus nach nahezu jedem Stück. Die Energie des Abends speist sich nicht aus Übertreibung, sondern aus einer ruhig, aber klar spürbaren Verbindung zwischen Bühne und Saal.
Fans zwischen Premierengefühl und langer Begleitung
Nach dem Kraftwerk Konzert in Braunschweig zeigt sich im Foyer, wie unterschiedlich die Wege zu dieser Band sind. Ein Besucher berichtet, er habe Mitte der neunziger Jahre seine erste Kraftwerk-CD gekauft und die Gruppe seitdem als „immer etwas Eigenes, kein Mainstream“ erlebt. Dennoch ist dieser Abend seine erste Live-Begegnung mit der Band – eine Möglichkeit, die er sich nicht entgehen lassen wollte, weil ihm klar war, dass ihn das später geärgert hätte.
Andere Gäste entdecken die Band beim Kraftwerk Konzert in Braunschweig erst jetzt wirklich für sich, jenseits einzelner bekannter Titel. Für sie ist dieses Konzert ein Einstieg in ein Werk, das lange vor ihrer eigenen Konzertbiografie begonnen hat und trotzdem direkt wirkt. Gemeinsam ist allen der Eindruck eines Abends, der visuell und musikalisch ein starkes Erlebnis bietet und in konzentrierter Form zeigt, warum diese Band seit Jahrzehnten eine feste Größe innerhalb der elektronischen Musik bleibt.
Rückbesinnung auf den Kern statt Effekthascherei
Im Vergleich zur früheren 3D-Tournee, bei denen das Publikum mit Brillen ausgestattet wurde und Animationen scheinbar in den Raum hineinragten, wirkt das aktuelle Konzept wie eine bewusste Konzentration auf das Wesentliche. Einige Fans sehen darin einen kleinen Schritt weg vom Spektakel, betonen aber, dass hier allenfalls auf hohem Niveau diskutiert wird. Denn das Kraftwerk Konzert in Braunschweig überzeugt gerade dadurch, dass es Songs, Themen und Bildwelten nicht überlädt, sondern klar strukturiert präsentiert.
Die Band setzt auf ihre eigenen Stärken: Kompositionen, die elektronische Musikgeschichte geprägt haben, eine visuelle Sprache, die unverwechselbar ist, und eine Bühnenpräsenz, die Distanz nicht als Mangel, sondern als Stilmittel nutzt. Dass der Abend von langjährigen Fans ebenso positiv aufgenommen wird wie von Menschen, die Kraftwerk zum ersten Mal live sehen, unterstreicht die Aktualität dieses Konzepts.
Weitere Tourtermine und Tickets
Wer die Band noch live erleben möchte, hat bis kurz vor Weihnachten weitere Gelegenheiten dazu. Die aktuelle Tour führt Kraftwerk noch in folgende Städte und Hallen:
27.11.2025 – Chemnitz – Stadthalle
28.11.2025 – Hamburg – CCH Saal 1
30.11.2025 – Bochum – RuhrCongress
01.12.2025 – Frankfurt – Jahrhunderthalle
04.12.2025 – Lingen – EmslandArena
06.12.2025 – Chemnitz – Stadthalle
09.12.2025 – Berlin – UBER Eats Music Hall
11.12.2025 – Leipzig – QI Arena
13.12.2025 – Bielefeld – Seidenstickerhalle
14.12.2025 – Düsseldorf – ME-Halle
15.12.2025 – Düsseldorf – ME-Halle
20.12.2025 – München – Zenith
Tickets, sofern noch verfügbar, sind über Eventim erhältlich.







